Vortrag 7:
Mit Todesverachtung, Selbstüberwindung und Humor
Zur Geschichte alleinerziehender Frauen in Österreich
Am 13. Dezember 2023 fand der siebente Vortrag der online Veranstaltungsreihe „CAREseiten zeigen“ statt. Die Referentin für feministische Bildung und Politik und Expertin für Gender Studies und Feministische Forschung, Petra Unger, beleuchtete die Situation alleinerziehender Frauen in Österreich. Ausgehend von einem historischen Überblick in Form einer Lesung zeichnete sie vielfältige Bilder der Lebensrealitäten alleinerziehender Mütter bis in die Gegenwart: Ledige Dienstmädchen, Witwen, geschiedene oder nie verheiratete Frauen. Frauen, die sich trennen, um ihre Kinder zu schützen.
Es wird klar, dass Frauen aus vielfältigen Gründen Alleinerzieherinnen sind und so vielfältig sind auch die Probleme und Lösungen ihrer Schwierigkeiten.
Alleinerzieher*innen kämpfen bis heute immer wieder gegen Bevormundung durch staatliche Behörden und Vorurteile der Gesellschaft, die sie als „defizitäre Familien“ stigmatisieren, als „Abweichung von der tradierten Form der bürgerlichen Kleinfamilie“.
Petra Unger betont, dass auch in der wissenschaftlichen Sozialforschung lange die angeblich negativen Auswirkungen des Alleinerziehens betont und erst sehr spät damit begonnen wurde die Frage nach der Lebenssituation der Frauen zu stellen.
Und auch die Geschichtsforschung beginnt erst durch Kritik von Feministinnen, die bis dahin vernachlässigten weiblichen Lebensrealitäten in ihre Forschungsfragen einzubeziehen.
Alleinerziehende Frauen sind Expertinnen der Improvisation, Kämpferinnen und liebende Mütter. „Mit Todesverachtung, Selbstüberwindung und Humor“ begegnen sie Schwierigkeiten und Gegebenheiten ihrer jeweiligen Situationen. „Sie zeichnen sich durch alle Zeiten mit Einfallsreichtum, bewunderungswertem Organisationstalent, hoher sozialer Kompetenz und erstaunlicher Resilienz aus.“
Am Vortrag nahmen ca. 50 Personen, überwiegend Universitätsangehörige aus Wien, teil. Nach der Lesung entspannte sich eine rege Diskussion unter den Teilnehmenden mit Frau Unger, die klarwerden ließ, dass alleinerziehende Frauen zwar am Rand der gesellschaftlichen Wahrnehmung stehen, jedoch unverzichtbare Funktionen übernehme und wertvolle Arbeit leisten.
Bei der Mentimeter-Abschlussfrage, welche konkreten Maßnahmen sie sich von den Universitäten als Arbeitgeberinnen und Studienort wünschen würden, geben diese am häufigsten flexible Kinderbetreuung an sowie unter anderem Flexibilität generell, flexible Arbeitszeiten, mehr Pflegefreistellung, Kulturveränderung, Diskriminierungsschutz, Informationsveranstaltungen zum Thema, unterstützende Beratung, Vernetzung mit anderen, Teilzeit-Führungspositionen sowie mehr Forschung und Datensammlung zum Thema.
Der Vortrag wurde in österreichischer Gebärdensprache gedolmetscht.
Der Verein Feministische Alleinerzieherinnen FEM.A und das Zentrum für Getrennt- und Alleinerziehende JUNO setzen sich für die Rechte Alleinerziehender ein und bieten umfassende Beratung und Unterstützung.