Vortrag 9: Distance Caregiving

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Wie kann Hilfe und Pflege für Nahestehende aus geographischer Distanz gelingen?

Dieser Frage ging die Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin und Präsidentin des Vereins rethinking care (Schweiz) am 4. Juni im Rahmen der 9. Veranstaltung der Reihe CAREseiten zeigen des Netzwerks UniKid-UniCare nach. 75 Interessierte und Betroffene, überwiegend weibliche
Universitätsmitarbeitende, zum Teil in Leitungsfunktion, nahmen an der Veranstaltung teil, die neben Gebärdensprache diesmal auch simultan ins Englische gedolmetscht wurde. In einer Live-Umfrage zu Beginn der Veranstaltung gaben über 40 Personen an, Nahestehende wegen Krankheit, Unfallfolgen
oder Hochaltrigkeit zu unterstützen, die bis zu 8 Stunden oder mehr von ihnen entfernt lebten. Über zwei Drittel der Betroffenen leistete dabei vor allem emotionale Unterstützung sowie Hilfe bei Recherche und Entscheidungen. Viele übernehmen aus der Ferne die Administration oder Organisation von Behandlungen. Und genau diese „managerial“ und „emotional care“-Leistungen seien Iren Bischofberger zufolge zentrale Aspekte von „Distance-Caregiving“, ein Konzept, in dem der
„Care“-Begriff weiter gefasst sei, als nur „handwerkliche“ Arbeit, und in dem vor Ort- und Tele-Care ineinander verwoben seien. Nachdem die Expertin ihr Publikum durch eine eindrucksvolle Bilderreise geführt hatte, in der sich viele Aspekte des sich Kümmerns um Nahestehende aus Distanz widerspiegelten, ging Iren Bischofberger auf die besondere Herausforderung der Ermöglichung kommunikativer Partizipation durch technische Hilfsmittel ein. Der Weg zur IT-Kompetenz müsse noch viel mehr geebnet, und das Bewusstsein dafür auch im Gesundheitssystem gestärkt werden, gerade in Zeiten, in denen der medizinische Fortschritt rapide voranschreitet, wir Menschen auch mit (etwa degenerativen) Erkrankungen oder Unfallfolgen immer länger lebten, und immer mobiler würden. Doch wie die Expertin ausführte, käme dieses Bewusstsein nur schleppend in Gang, es gäbe diesbezüglich „viel Regulierung, aber wenig Innovation“. Ein gutes und gestärktes Netzwerk vor Ort sei aber auch hilfreich, um die Pflege aus Distanz bewältigen zu können. In ihrem Vortrag beleuchtete die Referentin spezielle Herausforderungen und Lösungsansätze für die verschiedenen „Zielgruppen“ an Hochschulen. Eine besondere Hürde in Bezug auf die Pflege von Nahestehenden stellten hartnäckig bestehende Stereotype dar, wie geschlechtsbezogene Erwartungen an die Arbeitsteilung bei Pflegeaufgaben. Hier hätten – so Iren Bischofberger – insbesondere Hochschulen als innovative Lehrinstitutionen die Mission, für dieses Thema zu sensibilisieren und einen Beitrag zu leisten, diese Stereotype aufzubrechen, nicht nur, um ihre „primäre Zielgruppe“, die betroffenen Mitarbeitenden und Studierenden, zu entlasten. Es gelte außerdem, die „sekundäre Zielgruppe“, Führungskräfte und Personalverantwortliche dazu zu mobilisieren, über ihre eigenen Erfahrungen als Distance Caregivers zu sprechen und ihre Expertise zur Verfügung zu stellen. Die Universität könnte über ihren „Tellerrand“ schauen, sich (auch international) vernetzen sowie spezielle Angebote schaffen, die neben Case-/Care-Management und Kindertagesstätten in Kooperation mit Gesundheitsdiensten auch neue Betreuungsformen wie „Senior:innentagesstätten“ umfassten. Ein Wunsch, der mehrfach aus den Reihen der Teilnehmenden im Rahmen des regen Austausch am Ende der Veranstaltung geäußert wurde, war es, vonseiten der Hochschule Telearbeit auch aus dem Ausland zu ermöglichen und beim Thema Pflege gegenüber der Uni-Leitung auf offene Ohren und einen sensiblen Umgang (z.B. hinsichtlich der Belastbarkeit) zu stoßen. Auch könne die Hochschulleitung dahingehend sensibilisiert werden, dass sie von den vielen Softskills, die pflegende Angehörige mitbringen, auch profitieren können. Im Rahmen der abschließenden Mentimeter-Umfrage gab es zahlreiche positive Rückmeldungen zum Vortrag.